Das EPC-Geschäft gilt als die Königsdisziplin der Prozessindustrie.
Diese Projekte sind nicht nur durch hohe technische Komplexität
gekennzeichnet, sondern auch oft durch immensen Zeit- und Kostendruck
sowie interdisziplinäre und interkulturelle Projektteams, die an
vielen verschiedenen Schnittstellen zusammenarbeiten. Immer mehr
Unternehmen sind sich dieser Herausforderungen bewusst. Doch aus den
unterschiedlichsten Gründen scheitern sie häufig daran, die Projekte
termin- und budgetgerecht durchzuführen. Woran liegt das?
Ein Erfolgsfaktor ist das Risikomanagement. Und um schon drei grundlegende Schlagworte in diesem Zusammenhang vorwegzunehmen: Struktur, Kommunikation und die Etablierung einer Risikopolitik sind die Basis. Ein effektives Risikomanagement aufzusetzen ist in den vergangenen Jahren deutlich schwieriger geworden. Gründe dafür liegen in veränderten Marktsituationen und steigender Komplexität von Investitionsprojekten. Umso wichtiger ist es, hier richtige Einschätzungen zu treffen. Risikomanagement bedeutet sich mit einer Gefahr zu beschäftigen, bevor sie zur Krise wird – damit zählt es zu den bedeutendsten und zugleich anspruchsvollsten Aufgaben im Projektmanagement.
Woran scheitern so viele EPC-Projekte?
Dem Risikomanagement für umfangreiche, technische Projekte fehlt oft ein ganzheitlicher Ansatz, der darauf abzielt, die standardisierten Prozesse und die erforderlichen Systeme zur Steuerung der Prozesse in Einklang zu bringen mit der Organisation, ihrer Risikokultur und ihren Fähigkeiten. „In einer Reihe von Audits stellen wir immer wieder fest, dass technische Projekte oft scheitern, weil der integrative Ansatz nicht im erforderlichen Ausmaß verfolgt wurde“, so Darko Peraic, Projektleiter der Unternehmensberatung T.A. Cook Consultants. Wenn wir das aufschlüsseln, dann geht es um die folgenden Bereiche:
Das Risikomanagement hat oft keine feste Position im
Organigramm der Organisation. Der Wunsch nach Optimierung und nach
einer lernenden Organisation ist zwar groß, doch die Installation
des Risikomanagements als eigenständige Organisationseinheit, die
eine effektive Begleitung der Risiken durchgängig gewährleistet,
fehlt. Als eine Kernkompetenz sollte sie aber sichtbar sein in der
Struktur der Organisation.
Wir kennen die Risikomanager
als eigenständige Position aus Banken und Versicherungen. Bei
technischen Projekten jedoch fällt diese Aufgabe meist dem
klassischen Projektmanager zu. Aufgrund der Vielzahl anderer
Aufgaben stößt ein Projektmanager aber oft an seine Grenzen,
insbesondere bei wirklich großen Projekten. Und Risikomanagement
macht niemand „mal eben so mit“. Die Überwachung und Steuerung von
Risiken und das Einleiten von Gegenmaßnahmen ist für große
Investitionsprojekte ein Fulltime-Job und nicht nebenbei zu
leisten.
Anscheinend sind Unternehmen sehr zurückhaltend,
wenn es darum geht in Risikomanagement-Systeme und in die
erforderlichen Strukturen bzw. Ressourcen zu investieren. Ein
Trugschluss, der teuer werden kann: die Folgekosten für nicht
erfolgreich abgeschlossene Projekte – Qualität, Zeit, Budget –
übersteigen die nicht getätigten Investitionen um ein Vielfaches.
Nur bei einer entsprechenden organisatorischen,
hierarchischen und auch strategischen
Einbettung des Risikomanagements in
ein Unternehmen kann dieses auch voll handlungsfähig
sein und für die Organisation Nutzen stiften.
Um Projektrisiken besser einschätzen und steuern zu können, muss man versuchen zu verstehen, was das Projektrisiko antreibt. Dazu sollte im ersten Schritt eine Form der Kommunikation zu diesem Thema etabliert werden, zum Beispiel Risk Management Workshops mit allen beteiligten Fachbereichen. „In der Praxis sehen wir ganz oft erhebliche Mängel, wenn es darum geht, das Thema Risiko und damit verbundene positive wie negative Erfahrungen anzustoßen. Dabei könnte man daraus so unglaublich viel lernen, denn ein solcher Erfahrungsschatz ist ein ganz wertvolles Kapital. Hier lassen viele Unternehmen so große Chancen einfach liegen. In der Praxis spricht man von sogenannten Lessons Learned. Gemeint ist die Analyse vergangener Projekte und die Faktoren, die dazu führten, dass die Projektziele verfehlt wurden. Diese Faktoren werden zwar oft in einem Abschlussbericht ansatzweise dokumentiert, aber nicht konsequent für das nächste Projekt tiefgreifender untersucht und optimiert. Solch wertvollen Erfahrungen werden zu oft nicht archiviert, um später erneut darauf zurückzugreifen.
Hinzukommt, dass Fehler ganz oft lieber nur intern analysiert werden. Externe Stakeholder zum Beispiel werden nur sehr selten eingebunden. Dass sich Partner gegenseitig stärken und zur Weiterentwicklung verhelfen, ist leider die Ausnahme. Fehler werden allzu oft nicht sachlich analysiert, sondern zu emotional betrachten. Und spätestens dann, sind gewisse Bereiche nahezu tabu. Sich davon zu befreien, ist extrem wichtig. Der Fehler muss korrigiert werden, nicht die Person, die ihn begangen hat. Diese Grauzone muss aus der Welt geschafft werden, damit sich alle Beteiligten zu einer offenen, toleranten Fehlerkultur bekennen.
Spricht man von typischen Risiken für technische Projekte
liegt der Fokus oft folgenden Aspekten:
•
kommerzielle Bedingungen
• technische
Anforderungen und deren Beherrschbarkeit
•
Faktor Zeit
• Leistung- und
Vertragsgestaltung der ausführenden Kontraktoren-Firmen
•
Politik- und Umweltrisiken oder Ereignisse die, auf höhere
Gewalt zurückzuführen sind
Jede Organisation des
Auftraggebers hat eine eigene DNA, die sich aus positiven Faktoren
zusammensetzt, aber auch ihre Schwächen hat. Wenn es darum geht
Risiken zu identifizieren, müssen unbedingt auch interne Schwächen
kritisch analysiert werden. Ob ein kapitalintensives und komplexes
technisches Projekt sein Ziel erreichen kann, hängt demnach auch von
der Unternehmenskultur ab: Dabei geht es zum Beispiel um folgende
Analysefaktoren:
• Was ist unsere
Kernkompetenz? Was können wir gut? Und was können wir nicht?
•
Haben wir die richtigen Leute?
• Wie
sehr wird Eigenständigkeit gefördert?
• Wer
darf entscheiden und wie konsequent wird entschieden?
• Wie gut funktionieren unsere
Schnittstellen?
Insbesondere der Faktor Mensch kann zum Risiko werden. Projekterfolg erreicht man nicht nur mit ausgereiften Prozessen, sondern vor allem mit kompetenten Menschen. Deshalb sollte gerade bei den erforderlichen Fähigkeiten für die zu besetzenden Stellen aus den eigenen Reihen, wie zum Beispiel dem Projektmanager und seinem Stab genau hingeschaut werden.
Es ist erstaunlich, wie viele Unternehmen strategische Projekte an
Projektmanager delegieren, ohne dabei sicherzustellen, ob diese die
erforderlichen Fähigkeiten dafür aufweisen. Viele Faktoren
kennzeichnen einen guten Projektmanager, dazu gehören
Teammanagement, Risikomanagement, Führungsqualitäten,
Verhandlungsgeschick, Konfliktmanagement. Das sind grundlegende
Bausteine für eine zielgerichtete Projektrealisierung. Ein
Projektmanager muss also nicht nur ein guter Ingenieur sein, sondern
über diesen Bereich hinausblicken können. Er ist der Kapitän, der
den schweren Tanker sicher an das Ziel bringt, Unwetter sicher
meistert und zu dem schließlich alle aufschauen. Aber nicht nur die
Kultur und der Faktor Mensch sind entscheidend. Risikobehaftet sind
auch die hauseigenen Systeme, Prozesse und vor allem die
Projektorganisation mit ihren Fähigkeiten und Ressourcen. Hierbei
gilt es, immer wieder zu analysieren und kritisch zu
hinterfragen.
Prozesse und Methoden
Es werden zwar teilweise Werkzeuge für das Risikomanagement
entwickelt, aber es hakt dann an entsprechenden Einweisungen und
definierten Abläufen, was wiederum die Akzeptanz sinken lässt. Das
Ergebnis: Sie werden nicht richtig genutzt und verfehlen damit ihren
Zweck. Hinter solchen Werkzeugen müssen deshalb klar definierte
Prozesse stehen, die mit Leben gefüllt und immer wieder an neue
Erkenntnisse angepasst werden sollten. „Erstaunlicherweise erleben wir
immer wieder, dass Risikoprozesse nicht festgehalten sind“, sagt Darko
Peraic. „Es braucht ein verbindliches Nachschlagewerk, das allen
involvierten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Orientierung gibt und
ein gleiches Verständnis im Team schafft.“
Folgende Stolpersteine treten dabei immer wieder auf:
Zunächst muss ein erfolgreiches Risikomanagement zeitnah anfangen.
Je länger der Betrachtungszeitraum von Risiken ist, desto mehr
Spielraum gibt es für ein erfolgreiches Gegensteuern. Ansonsten ist
es schwierig für Unternehmen rechtzeitig die richtigen Maßnahmen
einzuleiten.
Risiken betreffen alle innerhalb der
Organisation. Risikomanagement scheitert oft an der Kommunikation.
Der Risiko-Begriff ist negativ belegt, daher meiden wir solche
Themen gern. Jedoch sollte ein offener Umgang damit in der
Unternehmenskultur verankert werden. Mitarbeiter aus den
unterschiedlichsten Fachbereichen sind im Umgang mit Risiken zu
sensibilisieren und aktiv bei der Risikoidentifikation mit
einzubeziehen. Oft haben die Mitarbeiter aus den operativen Reihen
eine ganz andere Sichtweise auf mögliche Bedrohungen, sodass deren
Erfahrungen ein wichtiger Beitrag sind.
Um Risiken zu identifizieren, haben sich kreative Techniken bewährt,
da sie neue Sichtweisen unterstützen und Denkprozesse anregen. Mit
der Delphi-Methode zum Beispiel, werden Experten unabhängig
voneinander befragt. Auch kreative Brainstormings ohne
Denkschranken, das heißt den Ideen freien Lauf zu lassen, können
wichtige Perspektiven hervorbringen.
Es ist es elementar wichtig, die identifizierten Risiken aussagekräftig zu beschreiben und eindeutig nach Themenclustern zu klassifizieren. Eine selbsterklärende Beschreibung erleichtert die Kommunikation mit den Stakeholdern und die Planung der Gegenmaßnahmen. Die Beschreibung des identifizieren Risikos sollte so formuliert sein, dass sie auch von denjenigen Mitgliedern des Projektteams und von Stakeholdern inhaltlich klar verstanden wird, die bei der Risikoanalyse nicht anwesend waren.
Neben der eindeutigen Beschreibung des Risikos und dessen Auswirkung
sind auch die Ursachen eindeutig zu beschreiben. Je konkreter die
Auswirkung dargelegt und vor allem in Zahlen quantifiziert wird –
Projekt, Dauer, Kosten – desto mehr Aufmerksamkeit wird bei dem Top
Management geweckt, sich mit dem Risiko pro aktiv zu befassen. Auch
wenn in der Praxis die Bewertung der Wahrscheinlichkeit des
Auftretens und die Schwere in Form einer Matrix vorzunehmen ist, so
ist es ratsam im ersten Schritt die Gedankenflut nicht zu stoppen,
da dieser Prozess in der Arbeitsgruppe viel Zeit kostet. Erst nach
Bestimmung der finalen Risiken, kann dies nachgeholt werden.
Bei der Priorisierung und der Abarbeitung der Risiken
besteht häufig die Gefahr, sich nicht in der Fülle von
identifizierten Risiken zu verzetteln.
Zur Priorisierung kann der Grad der Beeinflussbarkeit herangezogen werden. Daher ist es oft sinnvoll, sich im ersten Schritt auf die internen Risiken zu konzentrieren, die direkt vom beteiligten Team beeinflusst werden können. Zweiter Punkt zur Priorisierung kann dann zum Beispiel die Schwierigkeit der Umsetzung sein. So lassen sich die vielen Risiken in eine sinnvolle, effektive Reihenfolge bringen, um sie dann abzuarbeiten. Auch fehlt oft eine klare Strategie, wie Risiken zu bewältigen sind. Sollen diese vermieden werden, abgeschwächt werden, an Dritte übertragen werden akzeptiert oder sogar einfach nur akzeptiert werden. Auch diese Punkte müssen mit einfließen. Am Ende ergibt sich eine Art Matrix, die nachfolgende Handlungen und Aktionen ablesbar macht.
Während des Projektverlaufs sollte durch alle Projektphasen hinweg ein Risikomanagementprozess kontinuierlich aufrechterhalten werden. Das heißt, die identifizierten Risiken und der Fortschritt der definierten Maßnahmen sind routinemäßig zu erfassen und zu bewerten. Dabei sind neue, zusätzliche Risiken weiterhin im Auge zu haben und entsprechend definierter Abläufe zu bewerten.
Neue Kommunikationssysteme als Basis für ein effektives Risikomanagement
Immer größere, hochtechnische Megaprojekte, die immer digitaler, komplexer und internationaler werden, stellen neue Herausforderungen im Bereich des Projektmanagements und vor allem in der Kommunikation dar. EPC-Projekte mit ihren verschiedenen internen und externen Stakeholdern und Unterauftragnehmern gelten ohnehin schon als extrem komplexe Implementierungen und sind daher besonders anspruchsvoll. Deshalb hat Kommunikation oberste Priorität. Mangelnde Kommunikation ist einer der Hauptgründe für gescheiterte Projekte. Wenn eine gewisse Agilität und ein hohes Maß an Flexibilität fehlen, sinken die Erfolgschancen solcher Projekte.
Kommunikation mittels IT-unterstützer Systeme, sowohl im Team als auch
mit den Partnerfirmen, kann häufig deutlich verbessert werden. Die
Echtzeit-Kommunikation ist entscheidend für den Projekterfolg, ganz
gleich, ob Teammitglieder in benachbarten Büros oder sitzen oder in
verschiedenen Kontinenten. „Kommunikation erfolgt oft linear“,
erläutert Darko Peraic. „Das ist in einer digital vernetzten
Arbeitswelt, in der der Schlüssel zum Erfolg funktionierende
Teamarbeit ist, oft nicht ausreichend. Viele Unternehmen haben dem
Thema Kommunikation und Kooperation bisher nicht viel Bedeutung
beigemessen, was sich jedoch in der agilen Arbeitswelt grundlegend
ändern muss.“ Es entstehen neue Kommunikationsformen und -kanäle. Zum
Beispiel findet der Austausch von Informationen zunehmend in
Netzwerken statt. Die Kommunikation wird offener und agiler. Damit
einher geht, dass sich Projektrisiken viel früher identifizieren
lassen. „Wer Betroffene und Beteiligte eines Projektes regelmäßig
befragt, wird deutlich schneller auf Probleme aufmerksam und kann eben
auch schneller reagieren“, so Darko Peraic.
"Mangelnde Kommunikation ist einer der Hauptgründe für gescheiterte Projekte. Wenn eine gewisse Agilität und ein hohes Maß an Flexibilität fehlen, sinken die Erfolgschancen solcher Projekte."
Fazit:
Ein effektives Risikomanagement ist eine der wichtigsten Aufgaben des Projektmanagements und entscheidet über den Erfolg von technischen Projekten. Risikomanagement verbindet verschiedene Handlungsfelder, die alle gleichwertig und integrativ zu betrachten sind. Organisationen mit einem fortgeschrittenen Reifegrad haben für den Umgang mit Risiken eine Risikopolitik implementiert. Dabei umfasst die Risikopolitik nicht nur ein Werkzeugkasten für einen definierten Prozess sondern auch die Organisation, welche sich durch eine offenen Risikokultur auszeichnet und die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft.